Mittwoch, 22. Juli 2015

Katzen und gekippte Fenster - die Gefahr des Einklemmens und die Folgen

Es ist zur Zeit sehr heiß draußen und gerne lässt man da mal das Fenster gekippt... eine wahre Verlockung für unsere Stubentiger und eine Einladung hindurch zu schlüpfen. Leider endet dieses Abenteuer meist damit, dass die Katze stecken bleibt und beim Versuch sich zu befreien immer tiefer in den Fensterspalt hinabrutsch und das zieht katastrophale Folgen mit sich. Ich beziehe mich hierbei wieder auf einen Fachartikel der "team.konkret" und einen tierärztlichen Vortrag zum Thema "Erste Hilfe bei Hund und Katze".
 
Ganz wichtig: wenn die Katze im Fenster eingeklemmt ist besteht Lebensgefahr!!! Es muss unverzüglich ein Tierarzt aufgesucht werden, auch wenn man keine äußerlichen Verletzungen sehen kann!!!
 
Was passiert im Körper der Katze, während sie eingeklemmt ist?
 
Der Körper wird zwischen Thorax (Brustkorb) und Becken eingeschnürt, wodurch die Aorta abgeklemmt wird. Alle Organe und Körperteile die hinter dieser Einengung liegen werden nicht oder nicht ausreichend mit Blut versorgt. Es kommt zu einer Ischämie (= Minderdurchblutung), wodurch Muskeln und Nerven der Hinterbeine mit Sauerstoff unterversorgt sind. Betroffene Organe können z.B. Niere, Blase und Darm sein und auch Rückenmark und Bauchwand können geschädigt werden. Bei sehr schwerem Verlauf kann es zum Gewebetod (= Nekrose) der Blasen- und Darmschleimhaut kommen, auch eine lebensbedrohliche Fettgewebsnekrose ist möglich.
All diese Funktionsstörungen durch das Abschnüren der hinteren Gliedmaßen bezeichnet man gesammelt als ischämische Neuromyopathie.

Alle Organe, die hinter der Quetschung liegen sind betroffen!                               
 



































 
Was passiert, wenn die Katze aus dem Fenster befreit wird?
 
Durch die Sauerstoffunterversorgung werden hinter der Einschnürung Laktate gebildet, es kommt zur Übersäuerung im Gewebe. Wird die Katze aus dem Kippfenster befreit, können Blut und damit auch Sauerstoff wieder in die hintere Körperhälfte gelangen. Durch die Übersäuerung bilden sich dort Sauerstoffradikale (= für den Körper schädliche/giftige Sauerstoffformen), die zu einem Multiorganversagen führen können. Man kann also sagen, dass die eigentlichen Organschäden erst nach dem Befreien entstehen. Die Katze muss sofort zum Tierarzt gebracht und behandelt werden!
 
Zustand der Katze nach dem Befreien:
 
Manche Katzen können noch auf den Vorderbeinen stehen, in schwerwiegenderen Fällen ist auch das nicht mehr möglich. Meist zeigt sich eine Gangstörung und eine schlaffe Lähmung der Hinterbeine (= Paraparese). Reflexe, wie z.B. der Kniesehnenreflex sind abgeschwächt oder nicht vorhanden. Hintere Pfoten sind gefühllos, kalt und oft bläulich gefärbt (= zyanotisch, durch mangelnde Sauerstoffversorgung). Die Beine können verdickt sein und die Katze reagiert schmerzhaft. Der Puls an der Oberschenkelinnenseite ist vermindert oder nicht vorhanden. Die Katzen schreien häufig vor Schmerzen und atmen durch das Maul. Sind Darm oder Blase geschädigt, kam es also bereits zu einem Absterben der dortigen Schleimhaut, zählen auch blutiger Kot oder Urin zu den Symptomen.
Wichtig: weiß man nicht sicher, ob die Katze im Fenster eingeklemmt war, können diese Symptome auch zu anderen Krankheitsbildern passen.
 
Was kann der Tierarzt in diesem Fall tun?
 
Zunächst einmal eine genaue Untersuchung vornehmen. Vorrang hat immer die Behandlung des Schockzustandes und eine Stabilisierung des Patienten. Es werden Atmung, Puls, Temperatur, etc. überprüft und die Katze wird auf äußerliche Verletzungen untersucht. Kann der Puls an den Hinterbeinen nicht gefühlt werden, kann man mit Hilfe einer Doppler-Ultraschallsonde versuchen, den Puls festzustellen.
Ist der Zustand der Katze stabil genug, kann mit einem Röntgenbild genauer abgeklärt werden, ob Verletzungen am Skelett vorliegen. Mit Kontrastmitteln können Harnblase und Harnleiter auf Röntgenbildern dargestellt werden. Weichteilorgane können bei einer Ultraschalluntersuchung auf Verletzungen untersucht werden. Aber Vorsicht: Nekrosen des Fettgewebes entwickeln sich häufig erst nach ein paar Tagen, Kontrolluntersuchungen (anfangs am besten täglich) sind sehr wichtig!
Weiteren Aufschluss über mögliche Folgen der Quetschung im Fenster, können Blutuntersuchungen im Labor geben: gibt es innere Blutungen? Liegen Entzündungen vor? Kam es zur Laktatbildung? Wurde Kalium durch das Absterben von Muskelzellen freigesetzt? Kam es zu einem Urinrückstau? Wurde das Muskelgewebe geschädigt? uvm.
 
Weitere Folgen der Quetschungen:
 
Neben den bereits genannten Folgen, können noch weitere Probleme auftreten. Wurde beispielsweise der Darm geschädigt, kann es zu einer Bauchfellentzündung (Bauchfell = seröse Haut im Bauchraum) kommen.
Zerstörte Muskelzellen setzten Kalium frei, ein zu hoher Kaliumwert kann zu einer lebensbedrohlich verminderten Herzaktion führen.

Mögliche Folgen einer Kippfensterquetschung

 
Die Therapie:
 
Wie bereits erwähnt hat die Schocktherapie immer Vorrang, sprich die Katze bekommt eine Infusion. Außerdem muss das Gleichgewicht zwischen Säuren und Basen im Körper wieder hergestellt werden. Ganz wichtig ist natürlich auch die Schmerztherapie. Hat die Katze Untertemperatur muss sie vorsichtig wieder aufgewärmt werden z.B. Rotlichtlampen. Die erhöhten Kaliumwerte können mit Hilfe von Glukose mit Insulin, Kalziumglukonat und Natriumkarbonat behandelt werden.
 
Wenn der Zustand der Katze stabil ist kann durch eine Steigerung der Harnbildung zusätzlich der Kaliumwert gesenkt werden. Mit einer Physiotherapie können die Muskeln der Hintergliedmaßen gelockert und die Durchblutung zurück bis in die Pfoten gefördert werden. Weiterhin werden die Gelenke bewegt (Ernährung der Gelenksknorpel) und später werden aktive Bewegungsübungen gemacht.
 
Wie sieht es danach aus? Wie hoch sind die Chancen einer vollständigen Heilung?
 
Etwa 75% der Katzen erholen sich innerhalb von 14 Tagen vollständig, für etwa 25% der Tiere geht die Kippfenstergeschichte nicht so gut aus, sie sterben an den direkten oder späteren Folgen der Quetschverletzung. Deshalb ist schnelles Handeln so wichtig! Es ist empfehlenswert , die Katze stationär überwachen zu lassen und später in sehr kurzen Abständen zur Nachkontrolle zu erscheinen. Die Katze wird mit Medikamenten abgedeckt und auch der Tierhalter kann nach Anleitung durch den Tierarzt zu Hause einfache Bewegungsübungen mit seiner Katze durchführen.
 
Das Kippfenster ist also eine ernst zu nehmende Gefahr für die Katze, deshalb meine Bitte an die Katzenhalter unter Euch: lasst die Katze nicht unbeaufsichtigt in Räumen, in denen die Fenster gekippt sind. Wenn Ihr Eure Katze nicht beaufsichtigen könnt, macht das Fenster entweder ganz auf (wenn die Katze raus darf und natürlich nur im Erdgeschoss!) oder lasst es ganz zu während Ihr nicht zu Hause seid.
Man findet im Internet bzw. in verschiedenen Tierbedarfsläden extra für Kippfenster entwickelte Gitter, die man in den Spalt schiebt, durch diese Gitter passt die Katze nicht durch und kann folglich auch nicht stecken bleiben. Das wäre auch eine  Überlegung wert, wenn die Katze gerne am Fenster sitzt.
 
Ich hoffe der Beitrag war interessant und sorgt für Aufmerksamkeit, wodurch hoffentlich weitere Unfälle dieser Art verhindert werden können.


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